Es war Ende der 70er Jahre, als ich das Fachmagazin „Guitar Player“ erstmals in den Händen hielt, ein Bericht über die US Blues Szene öffnete mir die Augen & Ohren und so erfuhr ich, dass da noch etwas anderes existierte als Rock, Pop, Soul und der von Clapton, Alvin Lee oder B. B. King gespielte Mainstream-Blues. Ich tauchte ein in die Musik von „Son Seals“, „Eddie Clearwater“ und „Buddy Guy“ und lange gab es für mich nur den schwarzen, rauhen, authentischen Blues, der keinen Platz ließ für die zahlreichen weissen Imitatoren. Nun gut, Johnny Winter war schon immer die rühmliche Ausnahme gewesen, wie er auch damals mit dem herausragenden Album „Raisin’ The Cain“ bewiesen hatte. Ich gründete sogar ein Blues Trio und spielte einige Songs von Seals, Howling Dog und anderen, als ich dann plötzlich – wieder durch einen Artikel im o. a. Musikmagazin auf den Musiker MICHAEL BLOOMFIELD stiess. Klar – ich kannte seinen Namen – er war u. a. in den 60er Jahren Mitglied der “Paul Butterfield Blues Band” (PPBB) gewesen – unvergessen der Song „Born In Chicago“ - ich besorgte mir sein exzellentes 1979er Solo Album „Between The Hard Place & The Ground“ – kurz danach war der Gitarrist auch schon tot. Angeblich gestorben an einer Überdosis Drogen, die wahren Umstände bezüglich seines Todes wurden nie geklärt.
Das etwas längere Intro soll nur verständlich machen, warum ich mich jetzt begeistert auf diese 4-Disc-Box „From His Head To His Heart To His Hands“ stürzte, in der es auf 3 Audio CDs und einer DVD natürlich einige der mit der PBBB aufgenommenen Klassiker gibt, aber auch eine ganze Menge bisher unveröffentlichter Raritäten & Live Aufnahmen. Wundervoll die instrumentale 6minütige Version des „Bob-Dylan“-Klassikers „Like A Rolling Stone“, und im phantastischen mit „Coffee-House“-Atmosphäre ausgestatteten „Tombstone Blues“ ergreift der grosse Folk Rock Meister sogar das Mikrofon und veredelt den Song mit seinem atypischen krächzenden Sing Sang. Nach einem kurzen Interview, in dem Mike über seinen ehemaligen Chef Paul Butterfield spricht, kommt dann auch schon der oben erwähnte Superknaller „Born In Chicago“ – höre ich seit ca. 20 Jahren wieder das erste Mal – der Song ist immer noch genial & einfach mitreissend – wenn man authentischen Blues mag. Auch superhot: Der ausufernde instrumentale Psychedelic-Rocker „East West“, in dem Bloomfield neben der handelsüblichen pentatonischen Blues Tonleiter auch einen ungewöhnlichen Ausflug in die javanesischen Pelog Skalen unternimmt. (Infos für Outsider: Die Skala hat ihre Grundelemente in der indonesischen Gamelan Musik). Es war eine Zeit, in der immer mehr Musiker die Faszination der fernöstlichen Musik für sich entdeckten.
Es bleibt spannend – es folgt Klassiker auf Klassiker – der Slow Blues „Blues With A Feeling“ oder der live aufgenommene heisse Feger „Susie’s Shuffle“ – mit dem 47-Song-Package bekommen Musikfans eine wundervolle Retrospektive über einen der besten amerikanischen „Blue-Eyed“-Blues Gitarristen. Und: Für musikalische Anfänger, die ihre ersten Schritte auf der elektrischen Gitarre unternehmen wollen, ist dieses Material herausragender Stoff zum autodidaktischen Einstieg. Für weitere Infos diesbezüglich dieses Themas einfach eine Email schreiben an mich. Heiss auch der „Killing Floor“, bei dem manche Musikfans den singenden Gitarristen schon mal mit John Mayall verwechselt haben, hier mit Buddy Miles am Schlagzeug und Herb Rich (Baritone), Peter Strazza (Tenor) und Stemsy Hunter (Alto) an den Saxophonen. Vom 68er Album „Long Time Coming“. Von dem ebenso der nachfolgende langsame Blues “Texas” kommt – hier gibt’s inbrünstig intonierte Gitarrenlicks und ein zum Himmels schreiendes Solo. 15 Jahre später übrigens sehr gut kopiert vom Texaner S.R. Vaughan.
CD 2 startet durch mit instrumentalen Krachern, es gibt die Hommage an Albert King („Albert’s Shuffle“) Underground-Perlen aus den 70er Jahren („Stop“ und „His Holy Modal Majesty“ mit tollem Moog-Solo – das war damals einer der meist genutzten Synthesizer – der Brite Keith Emerson beispielsweise war ein Meister auf diesem Instrument) – noch mehr „Moog“ gibt es später in der Live Version von „Her Holy Modal Highness“ und nach einer „Opening Speech“ gibt es für den Rest der zweiten Disc Live Aufnahmen, in denen Bloomfield mehrere Male zeigt, dass er sich zu Recht nicht hinter den drei „King“-Maestros (B. B., Albert und Freddie) zu verstecken brauchte – sein typisches Markenzeichen waren damals die kreischenden Phrasierungen mit bis zum “Geht-Nicht-Mehr” hochgezogenen Saiten-Bendings - gibt es vor allem in „Don’t Throw Your Love On Me So Strong“ zu hören. Feines Hammond-Orgel-Solo übrigens hier auch von Paul Harris. Weitere geile Live-Jam-Sessions warten auf den Hörer mit “That’s All Right” und „One Way Out“. Das starke “Mary Ann” zeigt zudem, wo der Texaner Stevie Ray Vaughan die Idee für seinen Song “Mary Had A Little Lamb” entdeckt hat.
Weil ich mit meinem Büro und der kompletten Musiksammlung in den nächsten Wochen einen riesengrossen Umzug vor habe (der Standort Würzburg wird verlassen), hatte ich leider noch keine Gelegenheit, in die DVD reinzusehen, ich liefere diese Infos jedoch nach, sobald der Umzug abgeschlossen ist (Ende März).
|